Bundesligateam hat überlebt

Rhythmische Sportgymnastik: Für die SG Gütersloh-Bielefeld beginnt die Saison mit einem „Heimspiel“ in Bielefeld. Trainerin Kristina Scheibner weiß um die Außenseiterrolle.

Von Wolfgang Temme

Gütersloh. Die meisten Pflanzen gehen ein, wenn sie nicht regelmäßig Wasser bekommen. Im Leistungssport sind Training und Wettkämpfe das Elixier, um Athletinnen und Athleten am Leben zu halten. Auf beides musste das Bundesligateam der SG Gütersloh/Bielefeld in der Rhythmischen Sportgymnastik wegen der Corona-Pandemie neun Monate lang verzichten.

Dass das zarte Pflänzchen, das erst 2019 ins Leben gerufen wurde, dennoch nicht einging, ist vor allem das Verdienst von Kristina Scheibner. Die 40-jährige Gütersloherin versorgte ihre Mädchen als Leiterin des Landesleistungsstützpunkts in Isselhorst während der Durststrecke so gut es ging mit „Nährstoffen“ sorgte so fürs Überleben. Zwar fielen einige Blätter ab, aber es wuchs in der Dürre sogar neues Grün, so dass die SG am 6. November beim Bundesliga-Auftakt in Bielefeld nicht nur Ausrichter, sondern Teilnehmer ist.

Klar ist Scheibner, dass ihr Team als krasser Außenseiter antritt: „Wir gehen als einzige mit Gymnastinnen der Wettkampfklasse an den Start, während die anderen mit Mädchen aus der Leistungsklasse antreten.“ Das ist ungefähr so, als wenn in Radrennen Amateure gegen Profis fahren. Schon beim bislang einzigen Bundesligawettkampf bekam die SG Gütersloh/Bielefeld das zu spüren. Im Oktober 2020 belegte das Team in Saarbrücken Rang fünf im fünf Vereine großen Feld der Staffel Süd. Dem Abstieg in die 2. Bundesliga entgingen die Gütersloherinnen, weil die Saison wegen Corona abgebrochen und der Wettkampf nicht gewertet wurde.

Diesmal aber gilt’s: Von den fünf Teams der Staffel Nord, in die die SG neuerdings eingeteilt wurde und die am 20. November in Berlin den zweiten Durchgang turnt, steigt der Fünfte ebenso wie der Letzte der Süd-Staffel direkt ab. Der Vierte muss zusammen mit dem Süd-Vierten und den Vizemeistern der 2. Liga in die Relegation.

Das zu schaffen, käme für die SG einer Sensation gleich. Wenn überhaupt sieht Kristina Scheibner „Steh Kopf!“, ein vereinsungebundenes Team aus dem Westerwald, als Konkurrent auf Augenhöhe an. Den Charlottenburger TSV stuft sie deutlich stärker ein. Der Berliner TSC und Bremen 1860, die ausschließlich mit Gymnastinnen aus den dortigen Bundesstützpunkten bestückt sind, spielen als Titelkandidaten im Prinzip in einer anderen Liga.

Die Corona-Zwangspause hat die SG Gütersloh-Bielefeld leistungsmäßig natürlich zurückgeworfen. „Die Sicherheit in den Übungen fehlt“, lautet die Erkenntnis, die Kristina Scheibner im Training und Anfang Oktober beim Regio-Cup in Jena gewonnen hat. Ihre Befürchtung für den Bundesligastart in Bielefeld: „Es wird nicht ohne Geräteverluste abgehen.“

Hinzu kommt, dass die Mädchen in kurzer Zeit ihre Übungen an das verändert Regelwerk anpassen mussten. Der „Code de Pointage“ wird stets nach den Olympischen Spielen neu festgelegt. Selbst scheinbar kleine Veränderungen können erhebliche Auswirkungen haben. Beispiel Nummer eins: Für Würfe sind zwei Körperrotation unter dem fliegenden Gerät gefordert. Bisher durfte die erste Rotation bereits im Abwurf erfolgen, jetzt müssen beide nach dem Abwurf stattfinden. Beispiel Nummer zwei: Bisher wurde eine Tanzschrittfolge von acht Sekunden gefordert, jetzt zwei. „Bei einer Übung, die nur 1:30 Minuten dauert, ist das eine ganze Menge Zeit, die neu eingebaut werden muss“, erklärt Scheibner, die auch als Kampfrichterin die Bundeslizenz besitzt.

Neu gegenüber dem verkürzten Programm der Corona-Saison ist auch, dass in der Bundesliga jetzt nicht mehr zwei, sondern drei Gymnastinnen pro Gerät (Keulen, Ball, Band, Seil, Reifen) auf die Fläche müssen und gewertet werden. Da trifft es die SG Gütersloh-Bielefeld schon, dass ihr Aufgebot nicht mehr aus neun, sondern nur noch aus sieben Turnerinnen besteht.

Die Bielefelderinnen Wiktoria Malinowska und Michelle Kalinicenko beendeten ihre Karriere. Melidija Usupowa (18) vom TV Isselhorst, 2020 die bestbenotete SG-Gymnastin, muss verletzungsbedingt pausieren. „Sie trainiert aber wieder und unterstützt uns“, freut sich Kristina Scheibner.

Zuwachs erhielt das Team durch die 16-jährige Elisabeth Grasmik vom TuS Friedrichsdorf. Nach wie vor zum Aufgebot der Startgemeinschaft gehören Annika Stenzel (21) und Isabell Grünwald (17) vom TV Isselhorst, Sukejna Ceric (14) vom TuS Friedrichsdorf sowie Nastasja Albrecht (18), Ilina Sokolovska (15) und Dajana Kunizki (15) vom TSVE Bielefeld.

Unverändert geblieben ist das Trainerteam. Neben Kristina Scheibner bringen Anna-Sophie Bongartz (TuS Friedrichsdorf) und Lena Henze (TSVE Bielefeld) die Mädchen in Form.

Absage für die Gütersloher Sporthalle Ost
Gütersloh (wot). Kristina Scheibner hätte das „Heimspiel“ der Sportgymnastinnen gerne in Gütersloh ausgerichtet. Zwar kam die Halle in Isselhorst wegen zu geringer Deckenhöhe nicht in Frage, aber die Sporthalle Ost bietet mit acht Metern die für die Bundesliga erforderliche Höhe. Zu ihrem Bedauern erhielt sie für den Veranstaltungstag von der Stadt eine Absage mit dem Hinweis, die Lüftungsanlage sei defekt. Deswegen findet der Wettkampf am 6. November in der Sporthalle Rosenhöhe in Brackwede statt.