Bundesliga mit Ball, Band, Seil, Keulen und Reifen

Rhythmische Sportgymnastik: Ein Team des Landesleistungsstützpunkts Isselhorst gehört als SG Gütersloh-Bielefeld zu den Gründungsmitgliedern eines neuen Wettkampfformats in der olympischen Sportart. Für Kristina Scheibner geht ein Traum in Erfüllung

Gütersloh. Das ist mal eine schöne Bescherung: Die Rhythmische Sportgymnastik startet 2020 ins Abenteuer „Bundesliga“ – und Gütersloh ist mit dabei. Ein Team aus dem Landesleistungsstützpunkt Isselhorst qualifizierte sich Anfang Dezember in Berlin für das neue Wettkampfformat der olympischen Sportart. „Ein Ligasystem auf deutscher Ebene war immer ein Traum von mir“, sagt Kristina Scheibner. Und als sich ihre Mädchen tatsächlich einen Platz im Oberhaus gesichert hatten, reagierte die sonst so kühl und kontrolliert wirkende Stützpunktleiterin äußerst emotional. Sogar die eine oder andere Träne soll geflossen sein, als sich Gymnastinnen und Trainerinnen in den Armen lagen.

Bevor es so weit kommen konnte, mussten zunächst die formellen Voraussetzungen geschaffen und die Rhythmische Sportgymnastik als eigene Abteilung in die Deutsche Turnliga (DTL) aufgenommen werden. „Man hat jetzt noch einen Saisonhöhepunkt in der früher wettkampffreien Zeit“, erklärt Kristina Scheibner den Sinn der Bundesliga. Für sie stand deshalb sofort fest: „Wir nehmen an der Qualifikation teil.“ Offizielles Mitglied der DTL musste ein Verein werden, man entschied sich für den TV Isselhorst. Als Namen für das Team wählte sie jedoch SG Gütersloh-Bielefeld, denn neben dem TVI und dem TuS Friedrichsdorf trainieren auch die besten Gymnastinnen des TSVE Bielefeld im Stützpunkt.

Bei ihren Schützlingen stieß das Vorhaben sofort auf Zustimmung. Vor allem die Tatsache, dass es sich um einen Teamwettkampf handelt, begeisterte die Mädchen. „Sonst sind wir ja Konkurrentinnen, aber als Mannschaft ist es ein ganz anderes Gefühl“, findet Nastasja Albrecht (16) vom TSVE. „Wir haben uns alle gut verstanden“, schwärmt Isabell Grünwald (16) vom TVI. „Man kann sich gegenseitig anfeuern“, stellt Sukejna Ceric vom TuS Friedrichsdorf heraus. Offenbar taten das die Mädchen in der Qualifikation besonders eindrucksvoll. „Wir wurden von den anderen als Gute-Laune-Truppe bezeichnet“, freut sich die Isselhorsterin Milidija Usupova.

Die gute Laune zu behalten, war für die SG Gütersloh-Bielefeld keine Selbstverständlichkeit. Die Gymnastinnen, sonst in der Wettkampfklasse aktiv, mussten sich in Hachenburg und Berlin nach dem anspruchsvolleren und strengeren Reglement der Meisterklasse bewerten lassen und das teilweise gegen Mitglieder des Bundeskaders. „Jeder kleine Fehler wird direkt mit Abzügen bestraft erklärt Usupova. Die 17-Jährige kennt das, denn als Juniorin turnte sie selbst auf nationalem Niveau.

Für Kristina Scheibner war im Vorfeld das größte Problem, festzulegen, wer mit welchem Gerät turnt. Nach intensivem Training, Feilen an den Choreographien und einem „Casting“ beim Abschlusslehrgang stand die Aufstellung fest. Die Entscheidung traf Scheibner nicht allein, sondern gemeinsam mit den Vereinstrainerinnen Lena Henze (Bielefeld) und Anna-Sophie Bongartz (Friedrichsdorf). Zu absolvieren waren jeweils zwei Übungen mit jedem Gerät (Ball, Keule, Seil, Reifen, Band), wobei eine Gymnastin maximal dreimal starten durfte. Das Herausfordernde: Es gab keine Streichwertung.

Insgesamt wagten 14 Teams die Teilnahme an der Qualifikation, aufgeteilt wurden sie in zwei Siebener-Staffeln, die jeweils fünf Bundesligaplätze austurnten. Die SG Gütersloh-Bielefeld belegte sowohl in Hachenburg (82,75 Pkt.) als auch in Berlin (83,50 Pkt.) und damit auch im Gesamtklassement den 6. Platz. Das reichte trotzdem, weil der Fünfte, Werder Bremen II, automatisch in die 2. Bundesliga eingestuft wurde. „Wir sind sehr perfektionistisch“, lässt Nastasja Albrecht selbstkritisch durchblicken, dass sich das von Lena Henze gecoachte Team hier und da bessere Wertungen gewünscht hätte. „Wir können uns steigern“, sieht auch Milidija Usupova noch Spielraum nach oben. Doch die Jüngste im Team, die erst zwölfjährige Sukejna Ceric bringt es auf den Punkt: „Wir haben gegen starke Konkurrenz alles gegeben, und darauf kommt es an.“

Natürlich erkannte Kristina Scheibner – sie gehörte mit ihrer Bundeslizenz ebenso zum Kampfgericht wie Anna-Sophie Bongartz (Landeslizenz) – die Defizite ihrer Stützpunktauswahl gegenüber den besser platzierten Teams von Bayer Leverkusen, Eintracht Frankfurt, Berliner TSC und TV St. Wendel: „Wir sind bei der Handhabung der Geräte nicht so sicher und erleiden zu viele Verluste.“ Aber die 38-Jährige, in ihrer vor 19 Jahren beendeten Karriere selbst DM-Teilnehmerin, weiß auch um die Stärken ihrer Gymnastinnen: „Körpertechnisch sind wir auf einem relativ hohen Niveau.“

Reicht das, um 2020 in den beiden Bundesligaturnieren zu bestehen? Die Mädchen hoffen es. „Wir wollen unsere Wertungen steigern und den Klassenerhalt schaffen“, wünscht sich Usupova. „Weniger Nervosität“, sei dafür notwendig, so die 13-jährige Bielefelderin Ilina Sokolvska. Und natürlich ein gehöriges Maß an Disziplin: „Wer das nicht aufbringt, sollte es lieber gleich sein lassen“, spricht Nastasja Albrecht sportarttypischen Klartext.

Das hört Kristina Scheibner natürlich gerne. Aber die Stützpunktleiterin will keine falschen Erwartungen wecken: „Klar wünsche auch ich mir den Klassenerhalt, aber das wäre vermessen und nicht realistisch.“ Gegen die auf deutlich höherem Niveau turnenden Teams aus den Bundesstützpunkten strebt Scheibner bescheidenere Ziele an: „Wir wollen stabiler und mit weniger Fehlern turnen und uns so gut wie möglich präsentieren.“

Das soll sich möglichst auch in einem einheitlichen Outfit ausdrücken. „Wir suchen Unterstützung für die Anschaffung von Trainingsanzügen“, wünscht sich Scheibner vorsichtig. Wer weiß, manchmal gibt es auch nach Weihnachten noch eine Bescherung.