Pflege-Wohngemeinschaft

Kooperation: Diakonie startet erfolgreich Pilotprojekt in Friedrichsdorf

Gütersloh (gl). Zum Schützenfest bringen gleich zwei Musik-Kapellen der Pflege-Wohngemeinschaft (WG) „Haus im Pfarrgarten“ ein Ständchen. Waldorf-Schüler bauen ein Hochbeet, und auch sonst ist einiges los am Milanweg 29 in Friedrichsdorf. Dort hat die Diakonie Gütersloh das Pilotprojekt „Quartiersarbeit“ gestartet.

Gefördert wird es aus Mitteln der Kollekte der Evangelischen Kirche von Westfalen mit 3470 Euro. Das Vorhaben läuft bis Ende März 2020. Drei Seiten wollen zusammen ein Konzept für das Wohnviertel entwickeln und umsetzen: Außer der ambulant betreuten Pflege-WG sind das die Diakoniestation Friedrichsdorf – sie befindet sich im selben Gebäude – und Partner aus dem Ort. Der TuS Friedrichsdorf zählt zum Netzwerk, ebenso die Feuerwehr, die Schützen, die Grund- und die Freie Waldorfschule Gütersloh, aber auch andere Gruppen wie die Kindergärten, Arztpraxen und einzelne Mitbürger.

Das „Haus im Pfarrgarten“ dient mit seinen großen Aufenthaltsräumen und Außenbereichen als offenes Haus für alle Projekt-Beteiligten. Später sollen aus dem Modell-Projekt „Best-Practice-Empfehlungen“ abgeleitet werden: für andere Diakoniestationen und ambulant betreute Pflege-Wohngemeinschaften im Kirchenkreis Gütersloh und im Diakonie-Verband Brackwede.

„Wir leben ruhig, aber mittendrin.“ So lautet seit der Eröffnung 2008 das Motto der Pflege-WG „Haus im Pfarrgarten“. „Die 17 Bewohner sind zwischen 78 und 93 Jahren alt“, sagt WG-Leiterin Rosemarie Aue. Die meisten von ihnen weisen neurologische oder psychiatrische Erkrankungen auf. Umso wichtiger ist für die demenziell veränderten Menschen eine vertraute Umgebung, das Gefühl, sich orientieren zu können und wohl behütet zu sein. Mitten in Friedrichsdorf kennen sie die Nachbarschaft und die Wege, bekommen häufig Besuch von Angehörigen, Freunden und Ehrenamtlichen, die sich um sie kümmern.

Einige Senioren können weiter eigenständig in Friedrichsdorf spazierengehen. So wie der einzige Mann im Haus, der liebend gern im Ort unterwegs ist. Oder wie die Frauen, die reihum ihre Nachbarinnen oder auf dem Friedhof die Gräber ihrer Verstorbenen besuchen. Unterwegs machen sie eine Pause auf der Sitzbank am Milanweg. Gespendet hat sie der Heimatverein. Donnerstags geht es mit dem Einkaufsbollerwagen zum Wochenmarkt.

Integration besteht aus vielen Puzzleteilen

Gütersloh (gl). Integration im Quartier bedeutet aber weit mehr: Um die Gehwege im Ort für die Senioren verkehrssicher zu machen – etwa durch Absenken der Bordsteine – hat WG-Bewohnerin und Rollstuhl-Fahrerin Margarethe Dorn mit Dorothea Hohmeyer vom Arbeitskreis Sozialraum, Michael Wewer vom Fachbereich Stadtplanung und Bauordnung, Alfons Buske, Fachbereichsleiter Tiefbau, und Rosemarie Aue eine Ortsbegehung unternommen. „Dabei zeigten sich viele Barrieren und Hindernisse“, berichtet Aue. „Hoffentlich werden sie zeitnah beseitigt.“

Schon seit 2009 organisiert der Turn- und Sportverein (TuS) Friedrichsdorf zweimal pro Woche in der Pflege-WG ein besonderes Bewegungsangebot. Der Kontakt zwischen beiden Seiten ist eng. Und er trägt Früchte: Im Januar 2019 erhielten die Pflege-WG und der TuS Friedrichsdorf vom Landessportbund NRW das Gütesiegel „anerkannte Projektpartner“.

Einzelne Friedrichsdorfer leisten ebenfalls einen Beitrag für mehr Lebensqualität der WG-Bewohner. Regelmäßig kommt zum Beispiel ein Mann aus dem Dorf mit seinem Auto vorbei. Dann unternimmt er Ausflüge mit je zwei bis drei Bewohnern zum Botanischen Garten in Gütersloh, zu Faschingsfeiern oder Musikveranstaltungen in der Neuen Schmiede in Bielefeld-Bethel.

Eine feste Tradition ist auch das alljährliche Kaffeetrinken mit dem Thron der Friedrichsdorfer Schützen – eine wahre Tortenschlacht mit vielen guten Gesprächen. „Das Quartierskonzept Friedrichsdorf hat schon jetzt eine Vorbild-Funktion für uns“, sagt Björn Neßler, Vorstand der Diakonie Gütersloh. „Die Ansätze lassen sich weiter ausbauen und in abgewandelter Form hervorragend auf unsere anderen WGs in Gütersloh übertragen.“

Foto: TuS-Archiv